„Unglaublich!“
Tans Großvater war sehr überrascht, als Tan am nächsten Tag mit der Auswertung der Prüfung wieder nach hause kam. Er wollte kaum glauben, was auf dem Zettel stand, den er leicht zitternd in seinen Händen hielt und blickte gelegentlich zu seinem Enkel hoch, der ihm gegenüber auf einem Sessel saß und Tee schlürfte.
„Du hast ja kaum einen Fehler gemacht! Da könnte man ja glatt glauben, du hättest einen Spicker benutzt.“
„Wie denn bitte? Der Tisch stand mitten im Raum! Und der Direx ... äh Direktor und die anderen Lehrer hatte mich die ganze Zeit beobachtet. Ich denke mal, dass ich das wegen der Übungen vorher so gut hin bekommen habe.“
„So wird es wohl gewesen sein.“ Tans Großvater runzelte die Stirn. „Und? Wann wirst du dich nun auf den Weg machen? Ab jetzt darfst du dich zusammen mit einem Drachen in der Stadt aufhalten, weshalb du ja eigentlich schon sofort losreisen könntest.“
Tan grinste seinen Großvater an. „Das klingt ja fast so, als wenn du mich jetzt sofort loswerden willst.“
Sein Großvater schaute ihn plötzlich verwirrt an, als er mitbekam, was er gerade gesagt hatte. Doch bevor er etwas erwidern konnte, sprach Tan schon weiter: „Ich weiß schon, wie du das meintest. Ich hab mir überlegt, vielleicht noch ein Paar Tage hier zu bleiben.“ Er lächelte ein wenig und ließ sich dann noch etwas weiter in den Sessel sinken, in welchem er saß.
Tans Großvater nickte. Dann goss er den beiden noch einmal Tee nach und vertiefte sich dann in seine Zeitung.
Wir sollten lieber schon heute losgehen!
Tan schrak leicht hoch, als er Dagôns Stimme hörte. Doch diesmal erkannte er schnell, dass es Dagôn war, der da zu ihm sprach.
„Warum?“ fragte er verwirrt.
Tans Großvater schaute auf. „Hm? Was denn?“
„Oh… ich meint nicht dich.“
Sein Großvater schaute sich demonstrativ im Raum um. „Wen denn dann? Ist hier sonst noch jemand?“
Tan schüttelte leicht den Kopf, dann verließ der den Raum und ging in sein Zimmer hoch, wo Dagôn sofort aus seiner Perle kam.
„Warum soll ich denn schon heut los machen?“ fragte Tan. „Dann sehe ich meine Ma nicht mehr, bevor ich abreise. Und auch nicht meinen Vater. Und das, wo er jetzt nach so langer Zeit wieder mal zu hause ist.“
„Sie werden sicher auch beim Turnier da sein. Aber du solltest vorher, also bevor dieses Turnier beginnt, noch etwas trainieren. Und noch bei jemandem vorbei schauen.“
„Wieso noch trainieren? Ich bin doch gut im Kampf.“
„Das schon. Aber du wirst nicht sehr viele Chancen haben. Es sind sicher auch ein paar Teilnehmer dort, die in den letzten Jahren den Schritt zum Daccar-Anwärter nicht geschafft haben. Und die hatten sicher das ganze Jahr trainiert.“
„Oh. Stimmt ja. Äh … aber zu wem müssen wir denn vorher noch mal gehen?“
„Zu einem Freund von mir. Er wohnt auf einem der Berge, die hier sind.“
„Auf einem der Berge? Du bist lustig. Wir wohnen hier im Gebirge. Hier sind überall Berge.“
„Ich werde dir den Weg zeigen. Er ist selbst ein Daccar. Ein sehr guter Freund meines Vaters. Sicher wird er dir ein paar Tipps geben, wie du noch besser wirst. Bestimmt trainiert er dich auch, wenn ich ihn frage.“
Tan sah den Drachen eine kurze weile stumm an, dann nickte er.
„Wenn er ein Freund deines Vaters ist, dann muss er ja eigentlich auch ziemlich alt sein, oder? Da Menschen ja seit über fünfzig Jahren nicht mehr ins Drachental dürfen und dein Vater nur noch im Drachental bleibt.“
„Ich weiß nicht, wie alt er ist, aber ich kenne ihn schon seit ich ganz klein bin.“
„Wow!“ Das verschlug Tan ein wenig die Sprache. Dann wurde er plötzlich misstrauisch und fragte nach: „Sag mal ... wie alt bist du eigentlich?“
„Zweihundertdreizehn. Wieso?“
„Zweihunder...?“ Tan erstarrte. „Es gibt doch keinen Menschen, der so alt werden kann! Bist du dir sicher?“
„Ja!. Er kann so alt werden, weil er ein Halbdrache ist.“
„...“ Tan sah Dagôn Stirn runzelnd an. „Ein Halbdrache?“
Dagôn nickte. „Halbdrachen können auch sehr alt werden. Es gibt ziemlich viele auf Ason. Aber sie sehen alle wie Menschen aus, deswegen fallen sie nicht auf.“
„Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Wie kann man denn ein Halbdrache werden?“
„Keine Ahnung. Meistens haben sie schon seit ihrer Geburt Drachenblut in sich. Aber so, wenn man nur Mensch ist, weiß ich es nicht. Aber nun sag mal. Gehst du nun schon heute los? Wir haben nicht viel Zeit bis zum Turnier. Und es zählt jeder Tag!“
Tan schaute aus dem geöffneten Fenster. „Okay. Ich pack nur noch meine Sachen zusammen. Und dann muss ich noch meinem Großvater sagen, warum ich doch schon heu...“
„Nein. Das ist keine gute Idee. Er würde sicher versuchen, es dir auszureden.“
„Hm? Wieso denn?“
„Es wäre besser, zu gehen, ohne jemandem etwas zu sagen. Das hat fast nur Vorteile. Du solltest nur auf einen Zettel schreiben, dass du doch schon los bist. So fällt einem der Abschied nicht so schwer.“
„Na ja. Schon. Aber dann hab ich ein schlechtes Gewissen. Mein Großvater hat mich die ganzen Jahre lang aufgezogen. Da kann ich doch nicht einfach ohne Abschied gehen.“
„Er würde es sicher verstehen. Du wirst ihn ja in wenigen Tagen wieder sehen.“
Tan sah, in Gedanken versunken, aus dem Fenster und überlegte einen Moment. Dann nickte er Dagôn zu und packte schnell ein paar Sachen in seinen Rucksack. Als er damit fertig war, holte er sein Sparschwein aus dem Schrank und packte den Inhalt in eine kleine Börse, die er ebenfalls im Rucksack verstaute.
„Ich bin reisefertig!“ sagte er nach wenigen Minuten. „Und wie sollen wir jetzt hier raus kommen? Wenn wir durch die Haustür gehen, kommen wir automatisch an meinem Großvater vorbei.“
„Wozu gibt es Fenster?“
„Wir sind im ersten Stock!“
„Schon vergessen? Ich bin ein Drache! Ich kann fliegen!“ sagte Dagôn gelassen. „Du könntest dich auf meinen Rücken setzten. Dann ist es kein Problem mehr!“
Tan wurde etwas mulmig im Bauch. Er hatte Flüge noch nie sehr vertragen. Aber was blieb ihm anderes übrig. Langsam stieg er auf Dagôns Rücken und klammerte sich fest.
„Pass auf. Es wird am Anfang ein wenig wackeln, aber wenn du dich gut genug fest hältst, kann dir nichts passieren“
„Oh. Danke für die Warnung. Jetzt geht's mir schon viel besser!“ antwortete Tan ironisch.
„Verzeih. Aber ich bin noch kein Spitzenflieger. Ich gebe mein bestes, okay?“
Tan nickte und obwohl Dagôn es nicht sehen konnte, stieg er, leicht zusammengekauert, auf das Fensterbrett und stieß sich ab. Doch das erwartete Taumeln, welches Tan erwartet hatte, blieb aus. Stattdessen schwebte Dagôn ruhig in der Luft und schwang nur manchmal mit seinen Flügeln.
Die Richtung, welche Dagôn einschlug, war nach Osten. Die Berge wurden immer höher. Hier und da sah Tan auch ein paar kleinere Flüsse oder Seen, deren Flusslauf sich zu verschiedenartigen Wasserfällen verursachte, wenn sie auf plötzliche Absenkungen trafen. Neugierig beobachtete der die sich langsam verändernde Gegend. Waren die Wälder anfangs noch dichte Mischwälder, die vorrangig aus Laubbäumen bestanden, wurden diese nun mit der Zeit immer lichter und nahmen an Nadelbäumen zu, während Eichen, Kastanien und andere Laubbäume sehr schnell verschwanden. Nun nahmen auch größere Felsvorsprünge zu, die sich durch den Wald schoben und wie einsame kleine Bergspitzen wirkten.
Sie waren schon fast eine Stunde unterwegs, als sie auf einem kleineren Plateau gelangten, welches sich im vorderen Teil durch kleinere Felsvorsprünge nach unten absenkte, im Hinteren teil aber vollkommen von den Bergen umschlossen war. Ziemlich weit auf der linken Seite befand sich ein mit Felsvorsprüngen vor Wind und Wetter geschützter Eingang zu einer Höhle. Vor dem Eingang saß ein Mann, der nicht älter, als Tans Vater schien. Er hatte dunkelblonde, leicht gelockte Haare, die ihm knapp bis zur Schulter reichten und trug einen dunkelbraunen Fellmantel. Als er die beiden erblickte, stand er auf und kam Dagôn entgegen.
„So. Du hast also jemanden gefunden, der dir helfen wird?“ Die Stimme des Mannes klang tief, fast grollend.
Dagôn nickte und deutete auf Tan, der gerade am Absteigen war.
„Wie ist dein Name?“
„Tan Omana, Sir. Ich möchte Dagôn dabei helfen, seinen Wunsch zu erfüllen.“
„Ich weiß. Deswegen ist er ja auch mit dir hier her gekommen. Ich hab eine Bitte. Nenne mich nicht Sir, ja? Jacc reicht.“ Die letzten beiden Sätze sagte er lächelnd. Dann sagte er etwas zu Dagôn in einer Sprache, welche Tan nicht verstand. In der kurzen Zeit starrte Tan Jacc lange an, ohne einen Laut von sich zu geben. Er hatte versucht, sich während des Fluges einen Halbdrachen vorzustellen. Doch das Ergebnis war anders, als alles, was er gedacht hatte. Jacc schien besonders jung auszusehen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Mann schon älter als zweihundert Jahre sein konnte.
Jacc bekam die Blicke von Tan mit, aber störte ihn nicht. Erst nach wenigen Minuten unterbrach er die Stille. „Hast du dich mir anders vorgestellt?“
Ängstlich nickte Tan, dann fragte er: „Irgendwie älter. Sie sehen so … so jung aus.“
„Ach, dass ist es. Als Halbdrache altert man bedeutend langsamer, als ein Mensch. Und nun? Wollen wir nun mit dem Training beginnen?“
Tan nickte und folgte Jacc und Dagôn in die Höhle.
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(jacc wird chaque ..ähm dschack ..
..ach verdammt. das a im namen wird wie das deutsche ausgesprochen xD)
*grummel* und man sollt mal was gegen diese zeichenbegrenzung unternehmen ...