Jacc zitterte am ganzen Körper. Nicht vor Kälte, nicht diesmal. Obwohl er es zu jeder Zeit hätte darauf schieben können. Denn in diesen Breiten herrschte ewiger Winter. Den Bewohnern hier waren Begriffe wie Sommer, Strand und Wärme wahrscheinlich vollkommen unbekannt. Falls es hier überhaupt Bewohner gab. Kein klar denkendes Wesen würde hier freiwillig Leben wollen. Nur er konnte es sich leider nicht aussuchen, wo er sich in diesem Moment aufzuhalten hatte. Der Befehl kam von ganz oben.
Es war eher ein intensives Gefühl von Angst, das in ihm tobte. Eine Angst, die er bis dahin noch nie gespürt hatte und die ihm deshalb Unbehagen bereitete.
„Sie konnten überall landen!“ hieß es, also auch hier. Auch, wenn er sich momentan nichts mehr wünschte, als das „überall“ eben überall anders wäre, nur nicht hier. Er biss die Zähne zusammen und zog den Kragen seines Mantels noch etwas höher, in der Hoffnung, dies würde ihn vor dem eisigen Wind schützen. Er starrte weiter zum Himmel, um irgendeine Veränderung wahrzunehmen. Die ließ jedoch auf sich warten. Niemand wusste, wann und wo die Raumschiffe der
Lorras auftauchen würden. Niemand konnte sagen, wie viele von ihnen kamen. Und keiner wusste, ob sie selber dieses Zusammentreffen überleben würden.
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Etliche hundert Meilen war Omana nun schon gelaufen. Er hatte sogar die heißeste Wüste durchquert, die es auf diesem Planeten gab. Nicht, dass ihm die Hitze etwas ausmachte. Dafür hatte er schon viel schlimmere Hitzewellen erlebt. Im Vergleich dazu war diese Wärme hier eigentlich noch angenehm. Aber trotzdem. All zu lange sollte man ihn nicht im Ungewissen lassen. Er fragte sich, wieso sein Vater ausgerechnet
Ihn hier her geschickt hatte, wo er doch lieber an dessen Seite sein wollte. So wie sein Bruder. War Anamo überhaupt bei seinem Vater? Oder saß er gerade an irgendeiner Küste. Er wusste es nicht. Vielleicht hätte er ihn vor ihrer Trennung fragen sollen. Nun war es dafür zu spät.
Er blickte sich um, ob sich nicht zufällig jemand in seine Nähe verirrt hatte, der ihm Gesellschaft leisten könnte. Schüttelte aber enttäuscht seinen Kopf und seufzte. Die einzigen, die bald auftauchen würden, machten hier sicherlich alles Mögliche. Nur kein Picknick mit Himmelsbeobachtung.
Ihm wäre es lieber, wenn diese Typen das ganze einfach abblasen und sich wo anders Feinde suchen würden. Aber das war wohl nur ein frommer Wunsch.
Omana suchte unter einem der stark hervorstehenden Felsen Schutz und warf sofort wieder einen Blick in den Himmel. Vielleicht würden die ja diese Hitze hier gar nicht aushalten, wenn sie mit ihren Schiffen landeten. Vielleicht würden sie, von der Hitze vertrieben, sofort wieder umkehren und niemals wieder kommen. Vielleicht…
Nein. Dachte er. Niemals. Die ganz sicher nicht.
Er beobachtete, wie sich langsam eine kleine Wolke vor die Sonne schob und genoss den Augenblick der Abkühlung.
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„Meinst du, die kommen noch heute?“
Die Frage riss den alten Drachen aus seinen Gedanken.
„Hm. Keine Ahnung. Um ehrlich zu sein, die könnten von mir aus weg bleiben.“
Úru-Loki streckte sich und atmete hörbar aus, sodass ein paar Sandkörner vor seinem Gesicht in einer kleine Staubwolke davon wirbelten. Er sah zum blauen Himmel empor und schüttelte dann träge seinen mit Hörnern übersäten Kopf.
„Die sind sicher ganz in der Nähe. Sonst hätte Ruku nicht solch eine Panik veranstaltet.“ Er gähnte noch einmal herzhaft und gurgelte mit einem tiefen Grollen, um den Schleim aus seinem Hals zu bekommen.
„Ok. Dann sollten die sich aber wenigstens auch zeigen. Ich meine, wenn die noch länger brauchen, werden wir bald einge …“
„Und du solltest dir nie so etwas wünschen! Hoffe lieber das Gegenteil. Aber selbst das macht es nicht besser. Niemand weis, wie viele von denen kommen. Oder ob wir morgen überhaupt noch leben.“
Tamaris senkte betrübt seinen Kopf. „Verzeih. Ich wollte nicht … Es ist nur so, dass ich des Wartens müde bin. Da darf ich zum ersten Mal bei einer eurer Aktionen dabei sein und mitkämpfen. Und dann so was.“
Der Alte lächelte den gerade erst ausgewachsenen Drachen zu und legte seine Flügelkralle vorsichtig auf dessen Kopf.
„Noch ist nicht alles verloren. Es besteht immer noch Hoffnung, dass wir bei dem ganzen hier die Oberhand behalten. Also, nicht verzagen!“
Mit einem Ruck erhob er sich und streckte seine Flügel aus.
„Ich werde noch einen Rundflug wagen. Achte du derweil auf ungewöhnliche Anzeichen am Himmel. Und sobald du etwas bemerkst, setz dich mit mir in Verbindung! Und sei es nur eine Wolke, die dir verdächtig vorkommt.“ Leicht nur stieß er sich ab und erhob sich sofort. Er gewann schnell an Höhe, drehte noch ein paar Runden über den Hügel, auf dem der junge Drache saß, und ließ ihn dann allein zurück.
So allein gelassen wollte Tamaris es sich gerade gemütlicher machen, als er ein seltsames Wirbeln am Himmel bemerkte. Kleine Wolken türmten sich aus dem Nichts heraus übereinander und wurden immer dichter und größer. Erstaunt sah er diesem Geschehen regungslos zu. Dann begriff er. Mit der Kraft seiner Gedanken benachrichtigte er die anderen Drachen. Es war noch nicht zu spät.
Kaum hatte er, wie von Úru-Loki befohlen, Schutz gesucht, kamen auch schon die ersten feindlichen Flieger durch die unnatürlich entstandenen Wolken gejagt. Sie hielten nur wenige Meter über der Erde. Es waren Hunderte, wenn nicht sogar Tausende, soweit er es einschätzen konnte. Seltsam oval geformter Raumschiffe. Jedes groß genug, um noch einmal Tausende von ungebetenen „Gästen“ in sich zu verbergen. In der Ferne beobachtete er einen Feuerball, der an der Außenwand eines der Schiffe aufschlug. Jedoch ohne die erhoffter Wirkung.
„Verdammt! Schutzschilde!“ fluchte Tamaris.
Jetzt sah er die ersten Drachen kommen. Sie flogen mit hoher Geschwindigkeit auf die noch immer wachsende Raumschiffflotte zu und schossen ununterbrochen Feuerbälle und andere Geschosse auf sie ab. Jacc landete dicht bei Tamaris, ohne von diesem bemerkt zu werden, um in derselben Bergspalte Schutz zu suchen.
„Was tust du noch hier? Du solltest doch so schnell wie möglich von hier verschwinden, wenn sie auftauchen!“ sagte Jacc.
Der junge Drache zog seinen Kopf ein und sah den Halbdrachen unschlüssig an. „Loki meinte, ich sollte hier bleiben und mir ein Versteck suchen.“ Dann blickte er wieder in die Richtung der Schlacht.
„Ich wollte doch mitkämpfen“ beharrte er.
„Und was willst du hier ausrichten? Du wärest doch einer der Ersten, die hier umkommen. Nicht ohne Grund sollen alle Drachen unter zweihundert Jahren sich in sichere Gebiete begeben.“ Als er sah, dass der junge Drache protestieren wollte, winkte er barsch ab.
„Dir wurde die Genehmigung erteilt, so weit wie möglich zu helfen, weil du Rukus Sohn bist. Aus diesem Grund haben die Menschen etwas mehr Vertrauen zu dir. Mehr als zu mir oder Omana. Aber nun Schluss!“ beendete er seinen Vortrag.
„Flieg nach Süden und benachrichtige so viele Menschen wie möglich! Solange wir nicht wissen, ob sie auch in Gefahr sind, sollten wir sie nicht ohne Schutz lassen.“
Tamaris blieb nicht genug Zeit, etwas zu erwidern. Jacc hatte sich leichtfüßig erhoben und in einen Drachen verwandelt. Er flog sofort in Richtung des Schlachtfeldes und nahm, zusammen mit den anderen Drachen, die feindlichen Raumschiffe unter Beschuss.
Tamaris machte sich widerstrebend auf dem Weg nach Süden. Je länger er flog, umso mehr Drachen kamen ihm entgegen. Manche sahen ihm verwundert hinterher, nahmen sich jedoch nicht die Zeit zu fragen, weshalb gerade er sich von der Schlacht entfernte.